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Seit Herbst 2020 haben Patient:innen mit entsprechender Diagnose einen Anspruch auf digitale Gesundheitsanwendungen (DiGAs) auf Kassenkosten. Wie hat sich der neue Versorgungsbereich in den letzten drei Jahren entwickelt? Der Spitzenverband Digitale Gesundheitsversorgung hat erstmals einen DiGA-Report veröffentlicht, in dem er Bilanz zieht.

Patient:innen können sich seit gut drei Jahren „Apps auf Rezept“ verordnen lassen. Jetzt ziehen die Anbieter der DiGAs Bilanz. Ihr Spitzenverband Digitale Gesundheitsversorgung (SVDGV) hat erstmals einen DiGA-Report veröffentlicht.

Drei zentrale Erkenntnisse stehen im Fokus des Reports:

  • Der DiGA-Markt wächst nachhaltig.
  • Das Erprobungsjahr ist ein wichtiger Rahmen für Hersteller von DiGAs.
  • Die Prozesse in der Versorgung sollten verbessert werden.

Der Report des SVDGV wurde im Januar 2024 erstmals veröffentlicht und soll einen Überblick verschaffen, wie sich der neue Versorgungsbereich der digitalen Gesundheitsanwendungen seit Zulassung der ersten DiGA im Herbst 2020 bis Ende September 2023 entwickelt hat. Grundlage der Auswertungen waren dabei Daten zu 35 digitalen Gesundheitsanwendungen, die die Hersteller zur Verfügung gestellt hatten, sowie Daten des Berichts des GKV-Spitzenverbands und Schätzungen. Insgesamt waren zum Stichtag 30. September 2023 im DiGA-Verzeichnis des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) 49 DiGAs gelistet.

Anzahl, Vielfalt und Verordnungszahlen steigen

Die Anzahl der DiGAs, die auf den Markt kommen, sowie die Verordnungszahlen steigen: Laut Report wurden in den ersten drei Jahren rund 370.000 DiGA-Freischaltcodes eingelöst. Im ersten Jahr lag die Wachstumsrate bei 216 Prozent und im zweiten Jahr bei 66 Prozent. Die eingelösten Freischaltcodes seien dabei meistens Erstverordnungen, in manchen Fällen werden die DiGAs aber auch über mehr als einen Zeitraum verordnet. Die Vielfalt der adressierten Indikationen nahm in den ersten drei Jahren stetig zu. So waren zu Beginn vor allem Anwendungen für psychische Erkrankungen, Adipositas und Muskel- und Gelenkbeschwerden erhältlich, mittlerweile sind auch einige weitere DiGAs, etwa zur Behandlung von Alkoholabhängigkeit, Endometriose oder zur Entwöhnung vom Rauchen verfügbar.

Genutzt werden die digitalen Anwendungen laut Bericht von Erwachsenen jeden Alters und Geschlechts. Weibliche Patienten sind am häufigsten vertreten (je nach DiGA und Indikation zwischen 50 und 70 Prozent). Das kann auch daran liegen, dass einige der gelisteten DiGAs ausschließlich für weibliche Nutzerinnen gedacht und einige der Indikationen bei Patientinnen häufiger vorkommen, wie beispielsweise Depressionen. Betrachtet man das Alter der Nutzer:innen sind diese meistens zwischen 50 und 64 Jahre alt.

Der SVDGV sieht in dem stetig wachsenden Sektor der digitalen Gesundheitsanwendungen auch das Potenzial zu einem relevanten Wirtschaftsfaktor. So verzeichnete man eine durchschnittliche jährliche Wachstumsrate von 50 Prozent. Das Modell der digitalen Anwendungen findet zudem sukzessive Eingang in andere europäische Länder. Nahezu alle in die Analyse miteinbezogenen DiGA-Hersteller beabsichtigten auch in der EU aktiv zu werden oder tun dies bereits.

Erprobungsjahr: Aus Herstellersicht ein wichtiger Faktor für Vielfalt der DiGAs

Ein Hersteller einer DiGA muss nachweisen, dass die Anwendung den Patient:innen einen medizinischen Nutzen bringt. Hersteller können ihre DiGA zunächst auch nur vorläufig im BfArM-Verzeichnis listen lassen. Sie müssen dazu nur zeigen, dass ein positiver Versorgungseffekt anzunehmen ist. Der Nachweis muss innerhalb von zwölf Monaten (in Ausnahmefällen 24 Monaten) nachgereicht werden.

Dieses Erprobungsjahr kritisiert der GKV-Spitzenverband. Vorständin Stefanie Stoff-Ahnis gibt zu bedenken, dass die Krankenkassen ihren Versicherten DiGAs anbieten müssten, bei denen der medizinische Nutzen fraglich sei, da er noch nicht nachgewiesen wurde und man nicht wisse, in welchem Umfang sie den Anwendenden helfen würden. Der GKV-Spitzenverband fordert deshalb unter anderem, dass nur DiGAs mit bereits nachgewiesenem medizinischem Nutzen in die BfArM-Liste aufgenommen werden dürfen, für die sie Kosten übernehmen müssen.

Der Spitzenverband Digitale Gesundheitsversorgung ist anderer Meinung und erläutert in seinem Bericht, dass das Erprobungsjahr ein entscheidender Faktor für den Aufbau eines vielfältigen DiGA-Marktes sei. Ohne dieses Jahr würden nach Einschätzung des SVDGV wahrscheinlich nur elf DiGAs zur Verfügung stehen, nämlich die, die ohnehin von Anfang an eine Listung erhielten. Insbesondere Start-ups (die meisten der DiGA-Hersteller) benötigten das Erprobungsjahr, um den Umsatz zu generieren, der für die Querfinanzierung der hohen Studienkosten nötig sei.

Zum Stichtag des Reports waren 24 der 49 Anwendungen dauerhaft und 25 vorläufig gelistet. 13 Anwendungen von 19 hatten zu diesem Zeitpunkt die „dauerhafte Aufnahme“ erhalten und „nur“ sechs wurden wieder aus dem Verzeichnis gestrichen.

Laut SVDGV zeigt sich darin, dass sich das Verhältnis zwischen vorläufig gelisteten DiGAs und dauerhaft aufgenommenen DiGAs zunehmend angleiche. Außerdem gingen die Hersteller im Nachweis der Evidenz ihrer DiGA über die gesetzlichen Anforderungen hinaus, so hätten alle der bisher gelisteten DiGAs randomisierte-kontrollierte Studien zum Nachweis des positiven Versorgungseffekts vorgelegt, nach gesetzlichen Vorgaben würden Vergleichsstudien ausreichen.

Einfacherer Zugang und Bürokratieabbau

Der Prozess rund um DiGAs sollte laut Report weiter optimiert werden. Bedingt durch den demografischen Wandel in Deutschland würden künftig tausende Ärzt:innen fehlen und der Versorgungsbedarf steige weiter an.

Im Report wird bemängelt, dass die Versorgungsform der DiGA Patient:innen, Ärzt:innen und Psychotherapeut:innen nicht ausreichend bekannt sei. Deshalb wird gefordert, dass der Mehraufwand Patient:innen aufzuklären honoriert wird und Krankenkassen ihre Versicherten anbieterneutral über DiGA und deren Anwendung und Evidenz aufklären sollten.

Auch der Zugang zu den DiGAs sollte einfacher gestaltet werden. Im Schnitt warten Patient:innen 13 Tage auf ihren DiGA-Freischaltcode, das findet der SVDGV zu lange. Zudem fordert der Verband einen Bürokratieabbau, anstatt zusätzliche bürokratische Maßnahmen einzuführen, wie sie derzeit geplant würden. Die Modelle zur gemeinsamen Nutzung einer DiGA von Patient:in und Behandler:in sollten nachgebessert werden.

Hier geht es zum DiGA-Report des Spitzenverbands Digitale Gesundheitsanwendung.

 

Quelle: Deutsche Apotheker Zeitung